Buch-Rezension

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r gestiefelte Eros" - Versuch einer Rezension


Vorbemerkung:

Goethe hat einmal sinngemäß gesagt: Wie sollte ein literarisches Werk einen Menschen mehr verderben als das tägliche Leben und all die Schlechtigkeiten, die um uns geschehen.

Darum empfehle ich dieses Buch - und sei es hundertmal als "Pflicht-Lektüre" für Stiefelfetischisten und Damenstiefelträger (oder die es werden wollen) verschrien. Klar, es ist in einer etwas antiquierten Ausdrucksweise geschrieben; dennoch beeindruckt es durch anschauliche, lebenspralle Schilderungen. Nach der Lektüre weiß Mann, warum das Tragen hochhackiger Damenstiefel von positiven Emotionen unterfüttert sein kann. Was soll Abwegiges daran sein, wenn Männer sich hochgestiefelt in der Öffentlichkeit zeigen  (z.B. im "Partnerlook" gemeinsam mit den Damen) ?



Die Thematik des Werks:

"Der gestiefelte Eros" - die Lebensbeichte eines jungen Mannes - ist genau diesem hedonistischen Prinzip gewidmet. Es ist ein Bekenntnis-"Roman", in dem der Autor Zeugnis ablegt über seine sexuelle Orientierung und seine individuellen Vorlieben und Leidenschaften. Die Perspektive solcher Bekenntnisse ist die autobiographische Rückschau auf eigene Erfahrungen (durchaus gemischt mit Wünschen und hinzugefügten Schönredereien). Im Mittelpunkt der Handlung steht die Darstellung der Seelenzustände eines Jungspunds, die durch dessen lustvolle Hinwendung zu Damenstiefeln ausgelöst werden. Dabei sind auch Züge eines Schelmenromans zu erkennen: Ein gesellschaftlicher Außenseiter menschelt sich  auf anpassungsfähige Weise durchs Leben -  verfasst in Form einer autobiographischen Rückschau.


Der Buchtitel verrät es: Unerhörtes kommt in dieser Lebensbeichte zur Sprache. Hier bekennt sich ein junger Mannes zu seiner "Schwäche" für durchaus ungewöhnliches Schuhwerk. Vor dem Hintergrund der Genusskultur der 1920er Jahre werden lustvolle Begebenheiten geschildert. Der Autor berichtet von seiner Suche nach Erniedrigung und gibt Einblick in seinen Lebensstil, der in erkennbarem Gegensatz zu - damals wie heute - gängigen (klein-)bürgerlichen Konventionen steht. 

Schambehaftet wirft sich der Erzähler in seinen Damenstiefeln vor die Öffentlichkeit - genauer gesagt: er wird geworfen, denn seine Tante hat die Zügel in der Hand. Sie inszeniert,  sie steuert das Überschreiten von Benimm-Grenzen. Sie lässt den Protagonisten in die Lage kommen, Konventionen absichtsvoll zu überschreiten, sich in pikante Zwangslagen zu begeben und sich vor Leuten unmöglich zu machen. Auf diese Weise wird gelebtes Außenseitertum literarisch überzeugend geschaut. 



Genusssuchende Lesende kommen beim Schmökern voll auf ihre Kosten und bekommen einen Einblick in ein Jugendleben, das von der Suche nach stiefelfetischistischen Sinnenfreuden geprägt ist.

Aber dennoch: Ein unanständiges oder gar pornographisches Elaborat liegt nicht vor uns. Hanns von Leydeneggs Bekenntnis-Roman "Der gestiefelte Eros" ist kein Werk der "Einhandliteratur". Vergebens sucht man nach ungebührlichen Sentenzen; nicht eine einzige derbe Beschreibung körperlicher Sexualität ist in diesem literarischen Werkstück enthalten, schon gar keine obszöne Darstellung oder gar deren ordinäre Umschreibung. Noch nicht mal ungehörige Ausdrucksweisen kommen vor. Aber es knistert - und wie ! - von Anfang bis Ende  in dieser "von seltsamen Leidenschaften durchfurchten Jugendgeschichte", in der der Ich-Erzähler eine "schonungslose Beichte" seiner erotischen Zugeneigtheit für hochhackiges Schuhwerk ablegt. 




Die Figurenkonstellation:

1. Karl-Hanns und Richard

Titelfigur und Ich-Erzähler Karl-Hanns Leydenegg, genannt Charley, lernt in der Schule einen gleichaltrigen Jungen kennen: Richard Ibg, dessen ungewöhnliches Schuhwerk ihn in seinen Bann zieht. Wie es heißt, verdankt er es dem exaltierten Modegeschmack seiner Mutter, deren Steckenpferd es ist, kindliche Züge ihres an der Schwelle zur Pubertät stehenden Sohnes noch ein wenig lebendig zu halten. Entsprechend lässt sie ihn eine Garderobe tragen, die vorwiegend aus maßgeschneiderten kurzen Matrosenanzügen besteht, die zu auffälligen und nicht gerade jungenhaften Stiefeln kombiniert werden: Alles in allem eine Hinguck-Herausforderung der besonderen Art!  Obwohl aus sozial verschiedenen Kreisen stammend, werden die beiden Jungs schnell dicke Freunde und verstehen sich, dank ihrer besonderen Anschauungsobjekte - eben Richards feingliedrigen Stiefeln - blendend. So erhält Karl-Hanns Zugang zum großbürgerlichen Elternhaus des Freundes und lernt hier eine für ihn fremde, weil faszinierend-mondäne Lebenswelt kennen. Hier wird ein Lebensstil gepflegt, der es logisch macht, dass dem Sohn des Hauses ungewöhnliches Schuhwerk für die Alltags-Garderobe bereitgestellt wird. Diese hübsche Abweichung lässt eine homo-erotische Zugeneigtheit der beiden Halbwüchsigen reifen. 


Schlagartig bekannt wird diese durch ein peinliches Faux-Pas, das sich mitten im Schulunterricht zuträgt: eine vom Autor kunstvoll geschilderte Grenzüberschreitung Charleys gegenüber dem Freund, die dazu führt, dass dessen Stiefel-Leidenschaft dann auch Richards Mutter zu Ohren kommt. Da sie es einfach nicht mehr mit ansehen mag, mit welch grässlich-groben Tretern der beste Freund ihres Sohnes unterwegs ist, eignet sie ihm ein besonderes Geschenk zu, in Form eines etwas in die Jahre gekommenen, abgelegten Stiefelpaars ihrer Tochter Margot: mit unübersehbar femininem Einschlag - was unserem Charley natürlich die Seele wärmt. Augenblicklich müssen die - natürlich mit Richards Hilfe - anprobiert werden. Und siehe da: sie sitzen so perfekt, dass Charley sie schlicht anbehalten muss. Als er sich frischbeschuht auf den Heimweg macht, wird er sicherheitshalber von Richard begleitet - gewissermaßen als Schutz und Trutz und als sichtbaren Beweis ihrer beider Verbundenheit. Am helllichten Tag auf den Straßen der Stadt umher zu stöckeln, bedeutet - nolens volens - es mit einer nicht unbeträchtlichen Zahl an Gassenjungen zu tun zu bekommen, die (wie sollte es anders sein?) das abweichende Kleidungsverhalten Leydeneggs mit nicht stubenreinen Begleitklängen unterlegen.


2. Karl Hanns und seine Mutter

Seiner Mutter gegenüber braucht Charley garnicht erst versuchen, Verstecken zu spielen. Lange schon weiß sie um den Gemütszustand ihres Sohnes; sie kennt seine besonderen Vorlieben aus zahlreichen Zeichenskizzen, die - von ihm beiläufig anfertigt - ihr zufällig in die Hände geraten waren. Auffällig, dieses eine immer gleiche Motiv seiner Striche: schlanke, filigran umrissene Damenstiefel, schwungvoll und mit Akribie zu Papier gebracht. Und wieviel Mühe erst in der Ausgestaltung der starksigen Damenabsätze steckt - wahrlich ungewöhnliche Objekte für die Zeichenversuche eines Teenagers! Als sie ihren Sohn darauf anspricht, gesteht er ihr - verlegen - dass ihn solche Stiefel anregen. Lange grübelt sie nach einer Erklärung für solch sonderbares Gebahren - bis ihr in Erinnerung kommt, wie Karl-Hanns sich damals, als er noch ein kleiner Junge war, juchzend von einer hübschen Nachbarin, einer gewissen Madeleine Ortmann, beschäkern ließ und er ihr, auf deren Schenkeln kauernd, inbrünstig ihre sehr auffälligen Hochschäfter bekoste. Womöglich, mutmaßt sie, liege darin der Urgrund seiner Leidenschaft. Die ost für sie durchaus kein Grund zur Sorge. Im Gegenteil: Ihre zugewandte Lebenseinstellung erleichtert ihr, diese Geschmacksausprägung ihres Sohn  mit Gleichmut hinzunehmen. Die ist eben wie sie ist und ändert rein gar nichts an ihrem rastlosen Bemühen, das karge Leben ihrer Familie so gut wie möglich mit den Anforderungen des Alltags in Einklang zu halten.


Durch den Tod ihres Mannes fast mittellos geworden und auf das Wesentliche zurückgeworfen, konzentriert sie ihre Anstrengungen zuvorderst darauf, die kleine Familie anständig durchzubringen, sie mit Herz und Verstand zu führen und ihren Kindern Liebe und Zuwendung zu schenken. Diesem Lebensmotto entsprechend werden von ihr die filigranen Neuzugänge, mit denen ihr Sohn unvermittelt ins Haus gestolpert kommt, mit Dankbarkeit und Demut gewürdigt (Lass sie doch hundertmal mädchenhafte Züge an sich haben); wohl wissend, dass die Großzügigkeit der Frau Ibg der kargen Leydeneggschen Haushaltskasse vorerst die Ausgabe für ein neues Paar erspart hat, das eigentlich lange schon überfällig war. Ein Neuzugang der besonderen Art im Schuhbestand ihres Sohns, der ihr letztlich nicht unwillkommen ist und den sie beschließt, schön zu finden. Fraglos handelt es sich ja um ein solide verarbeitetes Stiefelpaar, das ihr allein schon deswegen ans Herz geht, weil es ihrem pubertierenden Sohn so gut gefällt. Lange Rede, kurzer Sinn: An ihr soll`s nicht scheitern; liebend-gerneaus mögen diese feinen Exemplare ab sofort die frugale Garderobe ihres Sohnes erweitern - sei`s drum, dass sie sich abheben von all dem grob zurechtgeschusterten Schuhzeugs, das sie ihm bisher zumuten musste. Wie dankbar ist sie der Frau Ibg für die Generosität, mit der sie ihren Karl-Hanns beschenk hat.

3. Karl-Hanns und Tante Gisel

Im weiteren Verlauf kommt eine Person ins Spiel, die den Lebenslauf unseres Stiefel-Aspiranten eine vollkommen auf den Kopf stellt: eine entfernt verwandte und als ausnehmend lebensfroh geschilderte, reiche Tante aus Südamerika, kündigt ihren Besuch an. Auf den wenigen Fotos, die die Leydeneggs von ihr besitzen, ist sie überaus elegant gekleidet. Besonders ins Augen fallen ihre schlanken Beine, die von auffälligen und dem neuesten Chic Tribut zollenden Stiefeln geziert sind - wahre Sumpfblüten, deren steile Absätze von geradezu schwindelerregender Höhe, durch einen kundigen Photographen effektvoll in Szene gesetzt wurden, was beim Bildbegucken jedem genussvollen Betrachter die Seele wärmt. Das ist Futter für die Regungen eines jungen, kaum der Pubertät entwachsenen Teenagers namens Charley, der von Stund an dem weitgereisten Gast mit höchstervSpannung entgegenfiebert. 




In Ermangelung eines Fremdenzimmers soll der Tante für die Dauer ihres Aufenthalts Charleys "Bude" als Logis zugedacht werden und entsprechend macht man sich im Hause der Leydeneggs ans Putzen und Wienern. Schließlich soll sich die weitgereiste Dame - offenkundig eine echte Großstadtpflanze, die im Geld schwimmt und vom Luxus verwöhnt ist - im beschaulichen Städtchen wohl fühlen. Und tatsächlich entsteht  - infolge ihres sensationellen Auftretens bereits bei ihrer Ankunft am Kleinstadt-Bahnhof - ein Riesen-Wirbel. Zuallererst bei Charley, der völlig verdattert neben seiner Mutter am Perron auf die ihm ja bislang noch unbekannte Tante wartet und nun Zeuge einer mehr als bühnenreifen Inszenierung wird: Vor den Augen der Bahnkundschaft entsteigt dem Eisenbahnwaggon mit ganz großen Gehabe eine mondän-gekleidete Lady in bizarr-herausmodellierten Hochschäftern, was den ganzen Laden aufhält und in seiner Leibhaftigkeit nicht nur bei Charley sensationelle Empfindungen auslöst, sondern - genauso beim wie blöd draufgaffenden Bahnsteig-Publikum. 


Charley, der zur Begrüßung am Bahnhof seinen besten Anzug angelegt hat, selbstredend in Kombination mit Richards Geschenkstiefeln, wird dabei Zeuge, wie der elegante Gast diese - kaum dem Zug entstiegen - unverhohlen in Peilung nimmt. Mit so unziemlichen Chaussures hat die Dame so gar nicht gerechnet, erst recht nicht bei einem feschen junge Mann, der sich auch noch als ihr Neffe herausstellt. Ja, durchaus beeindruckt ist sie von den Schaustücken, in denen dieser leckere Bursche vor iht steht. Der seinerseits ist voll damit beschäftigt, seine Aufmerksamkeit auf diese leibhaftige Bachstelze zu lenken, die in ihrer bizarren Schuhgarderobe auf ihn zugewankt kommt. Unter derlei Begleitumständen kann das erste Hallo der beiden eigentlich nur in die Binsen gehen. Holla, und das tut es wirklich! So was passiert eben, wenn sich zwei Stiefelnarren unversehens über den Weg laufen. Fürs erste ist Tante damit beschäftigt, diesem jungen Herrn ein Blitzen aus seinen Augenwinkeln zu entlocken - und sie fragt sich, ob es wohl interessant sein könnte, sich ihn ein wenig zurecht zu legen. Im Stillen nimmt sie sich vor, ihm ein paar nette Kabinettstückchen zu bieten, mit denen sie auch die übrigen Exemplare ihrer exquisiten Schuhgarderobe seiner Aufmerksamkeit andient. Da deutet sich ganz großes Theater an, das demnächst in der bescheidenen Wohnstube der Leydeneggs zur Aufführung kommen wird. Und es fügt sich tatsächlich ganz so, wie sie es geahnt hat: ihr Neffe ist von ihren Chaussures dermaßen fasziniert, dass kein Positionswechsel ihrer Stiefelbeine seiner Glotzlust entgeht. Unentwegt sind seine spähenden Blicke auf ihre hochgeknöpften Wunderlinge fixiert. Und da weiß sie: hier hockt ein angehender Retifist in den Startlöchern, dessen Begeisterung für die kleinen Launen ihrer Schuhmode bereits voll entwickelt ist. Mal sehen, was sich weiter ergeben mag....




Abseits solcher Erwägungen hat das Alltagsleben im Hause Leydenegg längst Fahrt aufgenommen. Tage später, als ihm unvermittelt die Gelegenheit günstig vorkommt, hat sich Charley verstohlen raus auf den Flur verdrückt und strebt nun allen Ernstes auf das Gästezimmer der Tante zu. Lautlos ist die Türe geöffnet - schon ist er im verbotenen Reich von Aroma und Parfüm gelandet - und sieht sie liegen, geradewegs vor sich: ihre extravaganten Ungetüme, nur eben mal ausgezogen und achtlos auf dem Teppich zusammengesunken. Von seinen Gelüsten übermannt, bückt er sich nach ihnen und ist augenblicklich gefangen vom betörenden Duft der Lederkunstwerke, deren Reize ihn schier überwältigen. Zu dumm allerdings, dass im nächsten Moment - wie aus dem Nichts! - nein! - Gisas Gestalt im Türrahmen erscheint, und natürlich genau sieht, wie er geradewegs Anstalten macht, (ach, guck mal an !) sich auf ein lustvolles Stiefelspielchen einzulassen. Maßlos erschrocken, dass ausgerechnet SIE es ist, die da vor ihm steht, will er Hals-über-Kopf raus aus dem Zimmer stürzen und reißaus nehmen; sich ins letzte Mauseloch verkrümeln, doch robust stemmt sie sich ihm entgegen, springt zur Tür, dreht den Schlüssel um und blickt ihn durchdringend an: "Ja, welche Posse geht denn hier ab?" 

Ruhig und sachlich hören sich ihre Worte an; allzu entrüstet klingen sie nicht, sogar erstaunlich gelassen kommen sie rüber. Eher hätte unser Delinquent eine herzhafte Ohrfeige erwartet, doch nichts dergleichen passiert. Aber trotzdem: es ist wie der komplette Zusammenbruch. Alles ist aus dem Ruder gelaufen. Charley wähnt sich ausweglos in der Falle; in seiner Verwirrtheit erscheint ihm die Lage vollkommen surreal. Immerhin hat ihn Tante nicht am Schlawittchen gepackt oder gar mit beißendem Gelächter überschüttet. Erstaunlich fast, welch wohlige Nähe ihr Parfüms ausstrahlt. Es scheint, als habe Tante von der ersten Sekunde an das ganze Ausmaß der Peinlichkeit im Blick. Und nun gibt sie tatsächlich die Jungenversteherin und Seelentrösterin, die Verständnis zeigt - einem Bedürfnis, dessen der Grenzüberschreiter doch so bedarf - mit seiner Seelennot: "Du dummer Bub, du.... Ja, wie dumm ist diese Sache denn?" Ihr Gegenüber, im Jammertal seiner Scham, setht vor ihr, die Hände vors Gesicht geschlagen, windet und duckt sich angesichts seiner Untat. "Na, so schlimm ist das doch alles nicht." - Was für Worte! Hat er da richtig gehört? Erstaunlich, was da über ihre Lippen kommt. "Na, setz dich erst mal.." Was soll das bedeuten? Für ihn? "Na komm, jetzt erzähl mal..." 

Da ist Gelassenheit im Spiel, Großmut und Behutsamkeit. Sie weiß doch um die schlimme Malaise, in der er steckt. Und ja, das ist gut - und vor allem: es wirkt! Das Aroma, das ihre Erscheinung umduftet, lässt seine abgrundtiefe Kompromittierung nur noch halb so schlimm erscheinen. - Ist das nicht eher ein - na ja - dummes Malheur gewesen? Dazu ihr feines Lächeln, da ist viel Ermunterung im Spiel - na trau dich - und am Ende kommt dann doch noch Tantes resolutes Machtwort: "Jetzt-aber-mal-raus-mit-der-Sprache!" Sie erwarte die ehrliche, unverhohlene Aufarbeitung seines ganzen Getues - nichts anderes. Was also jetzt? Hat er die Wahl? Nein! Es gibt nur den einen Weg nach Canossa. Und auf den macht er sich jetzt. Es ist Seelen-Striptease pur, das er vollziehen muss. Sonnenklar, er hat zu liefern. Sie erwartet, dass er die volle Peinlichkeit seiner Gelüste vor ihr ausbreitet, er muss das heimliche Laster offenbaren, das ihm seit Kindheitstagen auferlegt ist. Und so vollzieht sich, anfangs stockend und stammelnd, das Outing seines schier übermächtigen Eros; er beichtet ihr das ganze Ausmaß seiner erotischen Gier nach dem besonderen Kick. 



Und wie Tante da die Ohren spitzt! Seinen Worten lauschend, kommt ihr eine plötzliche, durchtriebene Eingebung und sie rückt gleich raus damit: Ihr Neffe möge mal seinen Mut zusammennehmen und sich einen Ruck geben. Na jetzt und hier im Zimmer, unter ihrer Regie. Sie biete ihm an, Nägel mit Köpfen machen. Dafür erwarte sie umgehenden Vollzug und gehe davon aus, dass er gegen eine hübsche Anprobezeremonie nichts einzuwenden habe. Immerhin gestatte sie ihm, dafür ein knackiges Paar aus ihrer Kollektion auszuwählen - eines, das ihn anspringt und ihn zum Probestöckeln verleitet. Na, hier vor ihren Augen soll alles ablaufen - "weil wir doch unter uns sind". Er solle sich deswegen bloß nicht ins Hemd machen, sonst könnte ihn das womöglich um den Genuss bringen. Und nein, garnichts würde sie ausplaudern, niemand wird davon erfahren. Dass ihre Schuhgrößen übereinstimmten, sei doch mehr als ein Wink des Schicksals. Nun gelte es für ihn "den Arsch in der Hose zu haben und sich was zu trauen". Sie hielte sein Debut in echten Frauenstiefeln für ebenso selbstverständlich wie überfällig. Jedenfalls hier in den vier Wänden. Der rechte Moment sei gekommen, und im Rahmen einer hübschen Anprobe könne er wunderbar austesten, wie es sich so anfühle, als Junge mit hohen Hacken durchs Zimmer zu starksen. Warum er denn nicht längst danach gefragt hätte? Das bisschen Schneid hätte sie eigentlich von ihm erwartet.


Die Ansprache wirkt! Denn klar will er. Augenblicklich hat er ihr sensationellstes Paar im Visier: ihre schwarzledernen Luxusstiefel mit den bizarren Hacken - die oder keine. Natürlich gerade die! Richtiggehend angefixt ist er von denen. Und passend dazu kommt postwendend ihr Kommentar: Ja, wenn sie ehrlich sei, hielte sie die für am besten geeignet. Für den Anfang würde sie ihm unbedingt zu Strafstiefeln raten, der Spannung wegen! Solange die nicht raus sei - hielte sie dieses Paar für absolut naheliegend - gerade für ihn mit seinem großem Stiefelherzen. Freilich seien dazu feine Seidenstrümpfe zweckmäßig, von denen sie ihm gleich ein Paar zurechtlege. Nun bedarf es allerdings für die Anprobe filigraner Chaussures durchaus einigen Geschicks, und erst mit ihrer tatkräftigen Hilfe und nach ziemlich hemdsärmeliger Anstrengung gelingt es ihm, zunächst den linken und sodann den rechten Fuß in die einknöpfbereiten Exemplare einzuklemmen. Um sich anschließend von ihr den Schaft strammziehen zu lassen - Öse für Öse. Und dann ist das Wunder im Werden: allerliebste Damenstiefel erblühen an seinen Jungenwaden, die mit jedem Zug straffer und straffer umschlossen werden. Ein Genuss, der sich mit jeder zugehakten Öse noch delikater ausnimmt! 

Getragen vom Gefühl straffsten Eingeschnürtseins, bemächtigen sich seiner allersinnlichste Gefühlsregungen. Sehenden Auges zu erleben, wie feminine Schuhchen seine muskulösen Beine lustvoll umschmiegen ist das Maximum dessen, was die Leidenschaften eines Sechzehnjährigen eben zu ertragen vermögen. Regelrecht baden hätte er können in seinem Glück, so grandios bestrickt fühlt er sich im Gefühl höchster Absätze. Wie ein Getriebener verlieren sich seine Gelüste in den Gefilden lustvoller Unterwerfung. Das feine Diktat solch disziplinierenden Schuhwerks löst alle Hemmnisse. Umfangen von der Euphorie des Augenblicks und der Zügellosigkeit seiner Lust, versteigt er sich aus blankem Übermut zu einem Statement, das ihn, kaum ausgesprochen, das Blut in den Adern gefrieren lässt: Jetzt, wo ihm zum ersten Mal damenhafte Stiefel zugeteilt sind, sei es für ihn nicht anders vorstellbar, jemals in anderem Schuhwerk als in diesem vor die Leute zu treten. Und wenn er sich die Mittel für ihren Erwerb stehlen müsse! Wow! Das war der Volltreffer - und der hat gesessen! Eine Großmäuligkeit ohnegleichen! Ach du meine Güte, was mag jetzt kommen?


Tante hat augenblicklich den Hebel umgelegt!  Ob ihm damit ernst sei, fragt sie zurück. Er möge sich bitte klar ausdrücken. Sie müsse ihn darauf hinweisen, dass er im Begriffe stehe, sich um Kopf und Kragen zu reden. Es stehe alles auf Kippe, es sei kurz vor Ultimo. Zu heilen sei anschließend garnichts mehr. Nochmal: Ein Zurück, "damit wir uns klar verstehen", sei weder möglich noch gangbar. Komplett ausgeschlossen. No way out. Darum ihre Sicherheitsabfrage: Ob sie sich da eventuell verhört habe? Wie sie ihn einschätze, würde er bestimmt schambehaftet zurückrudern und kleinlaut sich wieder "zurück auf Los" begeben, um seine vollständige Neu-Ausrichtung kurz-vor-knapp noch zu umzubiegen. Doch das geschieht nicht. Zugedröhnt mit ganz viel Testosteron, legt Charley im Hochgefühl seiner Lust und Gier noch einmal nach; "Absolut und bis in die Haarspitzen, lieber heute als morgen, so und nicht anders!" Es ist endgültig - aber hallo! Sie sage doch selber, dass es bei ihm lange überfällig sei. Das ist sein Wille - so und keinen Deut anders! Angesichts so einer Entschiedenheit ist es für unser Tantchen ein Leichtes, unmittelbar in den Vollzug zu gehen. Zumal sich ungeahnte und sehr hübsche Varianten auftun. Und sich die wunderbare Option ergibt, einen lange schon gehegten, heimlichen Wunsch zu realisieren: einen jungen Herrn, der ihr als Hausbursche zugeeignet ist, kleidungsmäßig auf links zu drehen. Ihn sich zurechtzulegen, zwecks Unterwerfung unter ein stringentes Stiefeldiktat. Nun ist es an ihr, das Kommando zu übernehmen. 

Ernst blickt sie ihn an: Sie habe zur Kenntnis zu nehmen, dass er künftig nichts anderes mehr als stöckelige Stiefel an den Füßen haben wolle. Dies führe unausweichlich zu Konsequenzen. Da er nun gedanklich falsch abgebogen sei, komme ihr die Verpflichtung zu, diese Unart adäquat zu bespielen. Allerdings seien Vorkehrungen zu treffen, die weitere Schritte nach sich ziehen - zielführende versteht sich. - Und so entwickelt sie vor ihm die Grundzüge eines frivolen Ansinnens: Ob er sich bereit fühle, in ein paar Tagen bereits mit ihr loszuziehen, nach Berlin, um dort eine Ausbildung zu beginnen. Dabei könne er bei ihr wohnen und das koste ihn nichts, rein gar nichts. - Ob da unser Stiefelheld wohl nicht schlecht staunt, bei so wilder Entschlossenheit? Aber dann schleicht sich doch eine merkwürdige Bangigkeit in seine Gedanken: Es dämmert ihn die Erkenntnis, seine Mutter hier zurück zu lassen. Na, er sei doch erwachsen genug, entgegnet sie, sein eigenes Ding zu machen. Und da er aus der Nummer nicht mehr rauskommt, siegt am Ende so was wie die Vernunft. Bei ihm! Er möchte den Eindruck gar nicht erst aufkommen lassen, womöglich doch noch zu "kneifen. Also gibt er sich schneidig und vorlaut: "Und? Wann geht's nun los?" Und ihre knappe Antwort: "Na, wenn er wolle, in dieser Woche noch." - Wow!

Noch am selben Abend wird die Mutter ins Benehmen gesetzt. Längst war sie sich im Klaren, dass die kleine Heimatstadt ihrem Sohn kaum berufliche Perspektiven wird bieten können. Gisels Vorschlag, für seine Ausbildung aufzukommen, nimmt sich wie ein Wunder aus und ist ganz bestimmt im Sinne ihres Sohnes, auch wenn dies einen Ortswechsel in die Metropole Berlin bedeutet. Merkwürdig nur, wie rasch die Sache über die Bühne gehen soll - nur wenige Tage bleiben, da Gisel in der Hauptstadt einen wichtigen Termin wahrzunehmen habe. Aber Zeit genug für einen Umzug bliebe. In ihrer hübschen neuen Wohnung möchte sie ihrem Neffen während seiner Lehrzeit Kost und Logis bieten - und für die nötige Nestwärme sorgen. Es sei ihr ein Anliegen, für sämtliche Kosten aufzukommen - inklusive seiner vollständigen Neu-Einkleidung; "vom Scheitel bis zur Sohle". Ein sehr generöses Angebot. Dennoch: überrumpelt fühlt sich Mutter Leydenegg durchaus. Doch nach kurzer Überlegung ist sie überzeugt, dass es eine bessere Variante für ihren Karl-Hanns kaum denkbar sei: Mit einem Male stünde ihrem Filius das Tor in die Zukunft offen - wenn er denn mitmacht. (Wie man sieht, hat Tante Gisel Wort gehalten und Charleys heimliche Stiefel-Eskapade verschwiegen.) 

Wie schafft man es, dem Sohn so ein Mega-Vorhaben nahezubringen? Ob Karl-Hanns schon so "erwachsen" ist, um dieses Angebot als große Chance wahrzunehmen, das die Weichen für seine gute Zukunft stellt? Wird er in seinem Alter schon so viel Vernunft und Einsicht mitbringen, die Konsequenzen dieser großzügigen Gelegenheit abzusehen? Doch wie sie ihn kurz darauf so bei sich sitzen hat, wird ihr rasch klar: Karl-Hanns ist bereit!  Er scheint für sein Alter schon recht verständig zu sein und ein ganz taffer junger Mann, mit dem man reden kann. Ihm ist klar, dass im Leben mal Entscheidungen anstehen sind, die nicht immer leicht sind - zumal dann, wenn die eigene Zukunft daran hängt. In Berlin gibt es Ausbildungsplätze in Hülle und Fülle, für tüchtige Jungen allemal - und wie großartig ist es, dass Tante Gisa sich für ihn einsetzt. Ihr als Mutter sei damit eine große Last von den Schultern genommen - auch wenn sie ihren Sohn weinenden Auges ziehen lassen müsse. 



Und zum Schluss kommt sie auf den einen Punkt zu sprechen, der Gisel offenkundig so wichtig ist: seine Bekleidung. Ihm sei bestimmt aufgefallen, dass Tante Gisa in dieser Hinsicht nicht den schlechtesten Geschmack habe und da sie Spaß am Einkleiden großer Jungs verspüre, sei es ihr ein Anliegen, ihn in Berlin von Grund auf neu auszustaffieren.  Als Mutter sei sie nicht abgeneigt, ihr diesen Freibrief zu geben, sofern Charley keine Einwände erhebe. Da dessen Blicke aber bereits  vor Aufregung zu funkeln beginnen (natürlich wissend um die wahren Hintergründe), weiß sie, dass er sich solchem Anerbieten nicht verschließen wird. Also lässt sich Tante von Charleys Mutter schlussendlich offiziell die Erlaubnis geben, ein spezielles Augenmerk auf seine Alltagsbekleidung, inklusive seiner Schuhbekleidung  - zu haben.....

So nimmt eine spannungsgeladene, erotische und dabei immer wieder Tabugrenzen überschreitende Geschichte der Effeminierung eines Jungspunds ihren Lauf, die nach meiner Meinung zu den Meisterwerken erotischer Literatur der Weimarer Zeit gezählt werden darf.





 


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