Literarische Köstlichkeit 3

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"Der gestiefelte Eros": Literarische Pretiosen 3  


Die ganze Klasse beneidete mich ja um diese Freundschaft, war Richard Ipperg doch der mit Abstand der vornehmste, eleganteste Schüler nicht nur der Obersekunda, sondern unseres Gymnasiums überhaupt.

Da half kein Betteln und kein Beten, kein Schmeicheln und kein Weinen. Nicht einmal das Beten. Denn sogar den lieben Gott habe ich belästigt mit heißem Flehen um ein erträgliches Paar Schuhe.

Mein Jammer und meine Seelenqualen werden jedoch erst verständlich, wenn ich jetzt gestehe, dass, seit ich denken kann, die Konzentration meines Hoffens und die Glut meiner sehnlichsten Wünsche dem Besitze schöner, eleganter Stiefel galt.

"Einbilden brauchst du dir aber fein nichts, es ist bloßer Egoismus von Mama: Deine entsetzlichen Kindersärge machen ihr Migräne, behauptet sie"

"Auweh, zwick, der alte Herr. Da heißt`s laufen", meinte Richard. "Gleich bin ich wieder da, servus einstweilen". Und fort war er.

"Aber nun auf in Marion`s Zimmer. Sie hat einen pfundigen Ankleidespiegel drin stehen. In dem kannst du dich bewundern".

"Warte Bürschchen, dich werd ich Mores lehren, du schnüffelst mir kein zweites Mal wieder. Auf die Knie, Halunke!"

Die Gewohnheit ist der Tod der Sensation. Und eine Sensation war es, als ich zum ersten Male mit meinen neuen Stiefeln in die Klasse kam.

Aber ich hatte mir hoch und teuer geschworen, nie in meinem Leben mehr eine andere Fußbekleidung anzulegen als Damenstiefel. Und wenn ich mir sie Mittel zu ihrem Erwerb stehlen müsste.

Ihre leichten kostbaren Juchtenledertaschen wie Siegestrophäen tragend, schritt ich zur Linken der für unser Nest viel zu elegant und auffällig gekleideten Tante Gisela her, stolz wie ein Hidalgo, wenn ich am Knirrschen des Sandes merkte, dass keiner der uns Begegnenden der Versuchung widerstehen konnte, sich nach ihr umzudrehen.

Wenn ich nun an sie dachte und mir dabei nach den Worten der Mutter das Bild dieser nun wohl 24jährigen unternehmungslustigen Dame rekonstruierte, lief mir ein eigentümliches, prickelndes Gefühl über die Haut. Mit große Ungeduld erwartete ich darum den Samstag.

Endlich schob sich aus dem Wagenfond ein Füßchen heraus, angelte ängstlich nach dem Trittbrett - da musste ich unwillkürlich Mutters Arm so heftig packen, dass die arme Frau erschrocken zusammenfuhr.

Denn der Anblick des nun zu Tage tretenden Stiefelchens war ganz danach angetan, mich um den Rest meines bisschen Vernunft zu bringen.

"Du gute Käthe! Wie hübsch, dass Du ich abholen kommst, Oh lala. Welch leckeres junges Herrchen hast du mit. Am Ende gar
Monsieur le neveu? Willst du deiner Tante nicht das Pfötchen geben?", wandte sie sich mit einem reizenden Lächeln an mich.

"Ist an meinen Schuhen was nicht in Ordnung?", frage sie lebhaft und raffte den ohnehin nicht langen Rock...

"Doch, doch, liebe Tante", stotterte ich.

Tante Gisela wechselte die Stellung ihrer Beine, ohne dabei zu verabsäumen, mich der ungehinderten Aussicht auf sie teilhaftig werden zu lassen und zündete sich gähnend eine Zigarette an.

"Ja, wer sagt denn, Charley, dass sich deine Wünsche nicht erfüllen lassen?"

"Ach du armer Frosch, habe ich dich so geplagt? nun ists`s aber genug. Lass uns ein bisschen plaudern, dabei kannst du dich ausruhen"

"Getraust du dich jetzt, wo du erst richtige Damenstiefel zu Gesicht bekommen hast, deinen stolzen Schwur auch noch aufrecht zu erhalten?”"

"Bringe mich doch nicht um das Vergnügen, ihn nach meinem Geschmacke zu equipieren."

"Aller Anfang ist schwer, selbst der vom Vergnügen zuweilen".

Jetzt ist Dreck Trumpf, war mein erster Gedanke.

"Habe ich mir`s doch gedacht", lachte sie. "O, ich habe dich durchschaut, Freundchen."

"Du beneidest doch nicht am Ende diese Bergfexen um ihre schicken Schuhe."

"Jetzt schlägt`s dreizehn! Hat da noch einer Töne? Steht der Bub am Fenster und heult wie ein Schlosshund!", lachte hinter meinem Rücken Tante Gisa.

"Lecker siehst du aus, Bub", anerkannte sie. "Mach doch weiter und geniere dich nicht so blöd."

"Willst du sitzen bleiben, du wilde Hummel, bis du fertig bist."

"Feiner Betrieb, das", höhnte sie. "Sofort ziehst du die Pensionstracht an und trollst dich in die englische Stunde. Aber ein bisschen tout suite"

"Geh, sei nicht fad, Carlachen! Dass Ihr Deutschen doch alle so melancholische Unken seid. Wenn ihr nicht die Loreley singen könnt, ist euch nicht wohl"

"Die Blütenranken, mit denen ich meinen Jungen vor zwei Jahren gefesselt habe, sind also nicht verdorrt?"

Aber Gewohnheit ist der Tod der Sensation, und nichts schreit früher nach Variation und immer wilderer Steigerung als Wollust, der hemmungslos die Zügel gelassen werden,

Walter trug zu kurzem Sportdress auffallende, kniehohe braune Damenknopfstiefel mit mindestens neun Zentimeter hohen, geschweiften Absätzen daran.

"A propos Flucht", ging Miras Klappermühle weiter, "Gottchen, war das hernach ein Theater, Charley, als du damals auskniffst. Einfach zum Kugeln! Die Alte, pardon Madame Henriette Brunnieux, war acht Tage im Begriff, aus der Haut zu fahren."

"Wir verlassen das Auto ja nicht, Charley, und außerdem", fügte er kleinlaut hinzu "will Mira, dass ich diese Stiefel anbehalte." Waschlappen, fluchte ich innerlich. "Na, wie du meinst," sagte ich.

Hinter jedem Sessel stand auf mindestens zehn Zentimeter hohen Hacken ein reizender, weiblicher Page in blauem und weißem Atlas und blauen Atlasstiefelchen, des leisesten Winkels gewärtig. Verdammt, waren das appetitliche Krabben!

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